Dr. Stefan Baumanns, Anne Hofmann, Lisa Kiesel, (Market Access & Health Policy 03 / 2024)

Wegweiser zur erfolgreichen G-BA Beratung: Praxistipps für Market-Access-Verantwortliche

Ein erfolgreicher Market Access in Deutschland ist auch über die Grenzen des deutschen Marktes hinaus von großer Bedeutung für die Einführung innovativer Arzneimittel. So ist Deutschland der größte Pharmamarkt in Europa, wodurch der erzielte Erstattungsbetrag oftmals Maßstäbe für andere Länder setzt. Dabei ist es für den gewünschten Erstattungsbetrag entscheidend, die Anforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) an die zugrundeliegende Evidenz bestmöglich zu erfüllen und einen möglichst hohen Zusatznutzen zu erreichen.

Der G-BA bietet Beratungen zur Planung von klinischen Studien sowie weiteren Aspekten der Nutzenbewertung an, wodurch Optimierungspotenziale eingeschätzt und strategische Entscheidungen abgeleitet werden können. Doch häufig stehen Market-Access-Verantwortliche im Anschluss an diese Beratungen vor Herausforderungen, die durch Unklarheiten aufgrund generischer Antworten des G-BA und durch verbleibende offene Fragen gekennzeichnet sind.

Warum Sie eine G-BA Beratung in Anspruch nehmen sollten 

Beratungen durch den G-BA sind Ihre einzige Möglichkeit zum direkten Austausch mit dem G-BA vor der Nutzenbewertung. In Abhängigkeit von den thematisierten Inhalten ermöglicht Ihnen die Wahrnehmung des Beratungsangebots eine Anpassung des Studiendesigns an die dargelegten nationalen Anforderungen, der Argumentationsstruktur im Nutzendossier sowie Ihrer allgemeinen Strategie für den Market Access in Deutschland. Dabei wird je nach Zeitpunkt der Beratung zwischen einer frühen Beratung zur Planung von klinischen Studien und einer Beratung vor Einreichung des Nutzendossiers, in der unter anderem die zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) oder Aspekte hinsichtlich der Epidemiologie oder den Jahrestherapiekosten thematisiert werden können, unterschieden.

In der Theorie handelt es sich um einen simplen Prozess (siehe Abbildung 1): Zunächst buchen Sie einen Beratungstermin und reichen eine Beratungsanforderung mit den zu erörternden Fragen für die Nutzenbewertung ein. Im Anschluss werden Ihre Unterlagen durch den Unterausschuss Arzneimittel des G-BA, sowie im Falle einer frühen Beratung auf Anfrage auch durch die für Ihre Indikation zuständige nationale Zulassungsbehörde – also dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – beurteilt. Abschließend teilt der G-BA im Rahmen eines Beratungstermins seine Position zu den gestellten Fragen und ermöglicht Ihnen Rückfragen sowie eine kurze Diskussion.

Abbildung 1: Prozess der G-BA Beratung.
Abbildung 1: Prozess der G-BA Beratung. Quelle co.value

In der Praxis gilt es jedoch vielfältige Aspekte zu berücksichtigen: Von der Auswahl und Formulierung Ihrer Fragen, über die adäquate Vorbereitung des Beratungstermins, bis hin zur korrekten Auslegung der Position des G-BA. Nachfolgend erhalten Sie praxisnahe Lösungsansätze, damit Sie die Anforderungen des G-BA präzise verstehen, Fallstricke vermeiden und die G-BA Beratung optimal für Ihren erfolgreichen Market Access in Deutschland nutzen können.

Terminbuchung – den richtigen Zeitpunkt finden

Die Verfügbarkeiten von Beratungsterminen wird über die Internetpräsens des G-BA mittels Ampelsystem angezeigt. Grün markierte Termine, an denen eine Einreichung vom G-BA ohne weiteres akzeptiert wird, sind regelhaft zwischen zwei bis acht Monate im Vorfeld ausgebucht. Bei gelb markierten Terminen wird darum gebeten zu prüfen, ob auch ein anderer Einreichungstermin möglich ist. Rot markierte Termine können nur durch eine angemessene Begründung wahrgenommen werden, wobei explizit darauf hingewiesen wird, dass insbesondere Beratungsanforderungen zu einer Studienplanung zu einem anderen Termin eingereicht werden sollten. Demnach gilt es vor allem für eine frühe G-BA Beratung, den Termin rechtzeitig zu buchen oder die Möglichkeit zu nutzen, einen Termin beim G-BA vorzumerken. Weiterhin sollten Sie bei der Wahl des Termins berücksichtigen, dass sich die Beurteilung auf die eingereichten Unterlagen sowie den wissenschaftlich-medizinischen Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Beratung stützt und nicht rechtlich bindend ist. Je früher Sie demnach eine Beratung in Anspruch nehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich für die Nutzenbewertung relevante Änderungen, z. B. hinsichtlich der zVT, ergeben und sich die Position des G-BA ändert. Andererseits gilt es jedoch auch sicherzustellen, dass Sie nach der Beratung noch genug Zeit haben, um mögliche Änderungen im Studiendesign oder Anpassungen am Nutzendossier vorzunehmen.

Einreichung der Beratungsanforderung – die richtigen Fragen auswählen

Eine prägnant formulierte Beratungsanforderung ist der Schlüssel zu Ihrer erfolgreichen G-BA Beratung. In dieser machen Sie zunächst allgemeine Angaben zum pharmazeutischen Unternehmen, dem Arzneimittel respektive Wirkstoff und den beratungsrelevanten klinischen Studien, wobei insbesondere zulassungsbegründende Studien von Bedeutung sind. Sofern Sie eine frühe G-BA Beratung zur Studienplanung anstreben, ist zusätzlich das Formular zur Studienkurzdarstellung einzureichen. Wie bereits erwähnt, können Sie zudem die Beteiligung des BfArM oder des PEI beantragen, woraufhin während der Beurteilung ein Austausch mit dem G-BA bezüglich zulassungsrelevanter Aspekte erfolgt. Weiterhin stelllt Ihnen der G-BA im Nachgang an den Beratungstermin eine Stellungnahme der entsprechenden Zulassungsbehörde zur Verfügung. Vertreter der Behörde nehmen jedoch im Regelfall nicht am Beratungstermin teil.

Im Anschluss an die Formalien führen Sie diejenigen Fragen auf, welche Sie im Beratungsgespräch erörtert haben möchten, und erläutern Ihren Standpunkt. Hierbei bietet es sich an, zunächst ausreichend Hintergrundwissen (u. a. hinsichtlich Krankheitsbild, Klassifikation, Epidemiologie, Wirkmechanismus, Studiendesign oder regulatorische Aspekte) für das Verständnis der Fragen und Ihrer diesbezüglichen Position unter Referenzierung von angemessener Evidenz darzustellen.

Faktoren bei der Auswahl der Fragen

Bei der Auswahl und inhaltlichen Gestaltung Ihrer Fragen sollten Sie einige wichtige Faktoren berücksichtigen:

  • Chancen und Risiken abwägen: Die spezifischen Fragestellungen sowie dargelegten Positionen sollten aufgrund der Dokumentation der Beratung und der Aufnahme der finalen Niederschrift in Modul 5 des Nutzendossiers wohl überlegt sein. Während eine pauschale Empfehlung für oder gegen bestimmte Fragestellungen nicht zielführend erscheint, ist es sinnvoll die Überlegung miteinzubeziehen, ob noch Handlungsspielraum besteht, falls der G-BA der Position nicht folgt. So sollten Sie kritische Aspekte, auf die Sie ohnehin keinen Einfluss mehr nehmen können, besser nicht thematisieren. Ansonsten gilt: nur wer fragt, kann vor der Nutzenbewertung Unklarheiten beseitigen und dahingehend eine adäquate Kosten-Nutzen-Einschätzung von Änderungen im Studiendesign durchführen oder die Argumentationsstruktur für das Nutzendossier entsprechend anpassen. Wägen Sie demnach die Chancen und Risiken einer jeden Frage sorgfältig ab!
  • Präzise Fragestellung: Nur durch klare präzise Fragen, die wenig Interpretationsspielraum lassen, werden Sie nicht-generische Antworten erhalten. Dabei haben geschlossene Fragen die Chance (und das Risiko) einer einfachen Zustimmung oder Verneinung. Grenzen Sie diese jedoch nicht zu stark ein, da der G-BA nur beantwortet, was auch explizit gefragt wird!
  • Wissenschaftlich fundiert: Ihre Positionen sollten wissenschaftlich fundiert dargelegt werden – dies schafft zum einen Vertrauen und zum anderen kann somit vor der Nutzenbewertung bereits die Argumentationsstruktur für das Nutzendossier geprüft werden. Berücksichtigen Sie dabei die unterschiedlichen Anforderungen an Zulassung und Nutzenbewertung, z. B. in Bezug auf patientenrelevante Endpunkte und die Bedeutung der medizinischen Versorgungssituation in Deutschland!

Mögliche Fragestellungen

Zudem stehen Sie vor der Entscheidung, welche Fragestellungen Sie im Rahmen der G-BA Beratung thematisieren möchten. Hierbei bieten sich typischerweise Fragestellungen zur zVT, der Studienpopulation sowie den geplanten Endpunkten an, welche als die zentralen Einflussfaktoren auf die Nutzenbewertung und den Zusatznutzen anzusehen sind. Sie können beispielsweise fragen, ob der G-BA Ihnen zustimmt, dass die Komparatoren Ihrer Studie die zVT im zugrundeliegenden Anwendungsgebiet darstellen und die zVT in Ihrer Studie adäquat umgesetzt ist. Hierbei sollten Sie im besten Fall die Komparatoren Ihrer Studie in der dargelegten Position anhand der vier Kriterien gemäß Kapitel 5 § 6 Verfahrensordnung (VerfO) des G-BA1 unter Berücksichtigung von § 6 der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV)2 als zVT herleiten. Des Weiteren können unter anderem auch Fragen zur Epidemiologie oder den Jahrestherapiekosten von Relevanz sein. Eine Obergrenze für die Anzahl an Fragen gibt es zwar nicht, der G-BA wird Sie jedoch nicht zu allen Thematiken beraten. So erfolgt beispielsweise keine Vorabbeurteilung oder Bewertung von statistischen Aspekten wie Hypothesen, Fallzahlplanung und statistischen Modellen.

Beurteilung durch den G-BA – wie Sie sich richtig vorbereiten

Ihre Beratungsanforderung wird nach Eingang beim G-BA im Unterausschuss Arzneimittel diskutiert. Falls Sie die Beteiligung des BfArM oder des PEI beantragt haben, wird zudem ein Austausch des G-BA mit der entsprechenden Behörde stattfinden. Zu Fragen der zVT werden die wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) schriftlich beteiligt. Etwaige Anfragen sind indikationsbezogen und beziehen sich nicht auf einzelne Arzneimittel oder Studien.

Ebenso wie der G-BA sollten auch Sie den etwa zehnwöchigen Zeitraum unbedingt nutzen, um das Beratungsgespräch intensiv vorzubereiten. Auf diese Weise können Sie wichtige Details, die oft in Nebensätzen versteckt sind, leichter erfassen, während des Beratungsgesprächs angemessen reagieren und somit eventuelle Unklarheiten aus dem Weg räumen.

Zusammenstellung Ihrer Delegation

Ihre Delegation für das Beratungsgespräch sollte sich auf maximal zehn Personen beschränken. Die folgenden Rollen haben sich in bisherigen Verfahren bewährt:

  • Ein Delegationsleiter, der als Hauptansprechpartner fungiert und die Diskussion mit dem G-BA koordiniert
  • Ein klinischer Experte, welcher mit der Indikation bestens vertraut ist
  • Dolmetscher, falls die Teilnahme von globalen Unternehmensvertretern gewünscht ist
  • Ein Medical Writer zur Dokumentation der Beratung, damit Implikationen für die Nutzenbewertung schnellstmöglich abgeleitet werden können und ein direkter Abgleich mit der vorläufigen Niederschrift des G-BA zur Korrektur etwaiger Fehler möglich ist

Die Mitglieder Ihrer Delegation sollten im Vorfeld mit den gestellten Fragen sowie der dargelegten Position vertraut sein. Entwickeln Sie mögliche Antwortszenarien mit entsprechenden Reaktionen sowie Rückfragen und teilen Sie die Verantwortungsbereiche nach Expertise zu. Insbesondere bei komplexen Thematiken ist eine Simulation des Beratungsgesprächs eindringlich zu empfehlen.

Beratungsgespräch – Austausch schafft Transparenz

Das Beratungsgespräch dauert in der Regel ungefähr 60 Minuten und findet in deutscher Sprache digital in Form eines WebEx-Meetings statt. Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellungsrunde der Delegation des pharmazeutischen Unternehmers sowie der Vertreter des G-BA (2 bis 4 Personen) wird über den rechtlichen Rahmen der Beratung gemäß § 35a Abs. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)3, § 8 AM NutzenV2 und Kapitel 5 § 7 VerfO des G-BA1 aufgeklärt. Im Anschluss proklamieren die Vertreter des G-BA die Positionen des Unterausschusses Arzneimittel zu Ihren Fragen anhand einer Präsentation.

Zunächst wird die Indikation definiert, auf die der G-BA seine Positionen stützt. An dieser Stelle ist es bereits entscheidend zu prüfen, inwieweit diese Indikation dem geplanten Anwendungsgebiet der Zulassung entspricht, da etwaige Diskrepanzen einen bedeutenden Einfluss auf die Festlegung der zVT haben können. Weiterhin wird bei der zVT-Festlegung mitunter das Anwendungsgebiet in Teilpopulationen unterteilt („Slicing“) und für jede Teilpopulation eine zVT bestimmt. Der Zusatznutzen ist in diesem Fall im Nutzendossier für jede Teilpopulation separat gegenüber der jeweiligen zVT zu belegen. Während der G-BA Beratung können Sie Rückfragen stellen, wobei auch kurze Diskussionen möglich sind. Es liegt im Ermessen des G-BA diese umfassend zu dokumentieren, sodass sich insbesondere hierbei ein Vergleich Ihres internen Protokolls mit der vorläufigen Niederschrift lohnen könnte, um mögliche Diskrepanzen aufzudecken.

Nachbereitung – Ableitung der Implikationen für die Nutzenbewertung

Der G-BA wird Ihnen zeitnah nach der Beratung die Stellungnahmen der AkdÄ und der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sowie des BfArM oder des PEI, sofern die Beteiligung beantragt wurde, zur Verfügung stellen. Weiterhin erhalten Sie die Recherche und Synopse der Evidenz zur Bestimmung der zVT. Die Anfertigung der vorläufigen Niederschrift durch den G-BA dauert im besten Fall etwa zehn Tage, kann jedoch auch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Sobald Sie die vorläufige Niederschrift erhalten, liegt es an Ihnen diese innerhalb von zehn Tagen mit dem internen Protokoll abzugleichen und bei Bedarf Änderungsvorschläge zu machen. Eine Verlängerung der Frist ist auf Anfrage möglich.

Im Rahmen einer Nachbesprechung ziehen Sie ein Resümee und klären etwaige Ungereimtheiten. Bei der Ableitung der Implikationen für die Nutzenbewertung sollten Sie stets berücksichtigen, dass sich der G-BA auf die eingereichten Unterlagen und den wissenschaftlich-medizinischen Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Beratung stützt. Es ist in Ihrer Verantwortung relevante Entwicklungen im Anwendungsgebiet zu verfolgen oder zu antizipieren. Nicht zuletzt können Sie auch die Möglichkeit einer erneuten Beratung wahrnehmen. Darüber hinaus sollten Sie Lücken und Diskrepanzen zu den Anforderungen des G-BA identifizieren. Hierbei gilt es die Sprache des G-BA richtig zu deuten, da die getroffenen Aussagen mitunter Interpretationsspielraum lassen und Antworten oft zwischen den Zeilen liegen.

Fazit

Das Beratungsgespräch beim G-BA ist für Ihr pharmazeutisches Unternehmen die beste Möglichkeit, wichtige Fragen mit Relevanz für die Nutzenbewertung zu klären, wodurch Optimierungspotenziale eingeschätzt und strategische Entscheidungen abgeleitet werden können. Die richtige Auswahl der Fragen, eine prägnant geschriebene Beratungsanforderung und eine intensive Vorbereitung des Beratungstermins sind dabei wichtige Voraussetzungen für die Beratung, mit der Sie Ihre Chancen auf einen erfolgreichen Market Access in Deutschland maßgeblich erhöhen können.

Referenzen

1. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA). Verfahrensordnung. Stand: 20. Februar 2024. Verfügbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3375/ VerfO_2023-10-19_iK_2024-02-20.pdf [Zugriff am: 24.04.2024].

2. Bundesministerium der Justiz (BMJ) und Bundesamt für Justiz (BfJ). Verordnung über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35a Absatz 1 SGB V für Erstattungsvereinbarungen nach § 130b SGB V (Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung – AM-NutzenV). Zuletzt geändert durch Art. 6 G v. 19.7.2023 I Nr. 197. Verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/ am-nutzenv/AM-NutzenV.pdf [Zugriff am: 24.04.2024].

3. Bundesministerium der Justiz (BMJ) und Bundesamt für Justiz (BfJ). Sozialgesetzbuch V. Zuletzt geändert durch Art. 33 u. Art. 35 Abs. 10 G v. 27.3.2024 I Nr. 108. Verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/ sgb_5/SGB_5.pdf [Zugriff am: 24.04.2024].